Dringend gesucht: Grosse Dächer

Schweiz am Sonntag, Solothurner Zeitung, 26.11.2023 Raphael Karpf

Auch wenn Solaranlagen gerade einen Boom sondergleichen erleben: Sehr viele Menschen haben es nicht in der eigenen Hand, eine solche zu bauen. Sei es, weil sie eingemietet sind (was immerhin fast zwei Drittel aller Haushalte in der Schweiz betrifft), sei es, weil sie in einer Eigentumswohnung leben und keine oder keine geeigneten Dachflächen haben.

 

Doch es gibt Alternativen. Tatsächlich erleben Angebote, bei denen sich Menschen an einer Solaranlage auf fremden Dächern beteiligen können, gerade einen ziemlichen Boom. Dieser Boom ist so gross, dass sich kaum schnell genug geeignete Dachflächen finden lassen.

Genossenschaften, Firmen, sogar Gemeinden: Es gibt verschiedene Institutionen mit solchen Angeboten. Eine davon, die schon sehr lange aktiv ist, ist die Solothurner Optima Solar. Die Genossenschaft sucht aktiv geeignete, grosse Dachflächen, etwa auf Schulen, Turnhallen, Firmen- oder Landwirtschaftsgebäuden, mietet diese Flächen, baut die Anlage und verkauft anschliessend den produzierten Strom. Private oder Firmen können Anteilscheine dieser Anlagen kaufen und erhalten eine Erfolgsbeteiligung, so wird das Ganze finanziert.

 

Die Solothurner Genossenschaft war Pionierin

 

Bereits seit 2011 gibt es Optima Solar in Solothurn – seither sind acht regionale Genossenschaften in sechs Kantonen dazugekommen. Doch 2011 waren die Solothurnerinnen und Solothurner Pioniere. Tatsächlich war es damals noch gar nicht möglich, den Strom im jeweiligen Gebäude zu verbrauchen – er wurde komplett ins Netz eingespeist. 

Erst 2014 wurde möglich, was heute eine Selbstverständlichkeit ist – und eine Voraussetzung dafür, dass das Modell von Optima Solar überhaupt funktioniert. Nicht nur, weil es sinnvoll ist, möglichst viel Strom vor Ort zu verbrauchen, um das Stromnetz nicht zusätzlich zu belasten. Sondern auch, weil die Genossenschaft nur so mit den Besitzern eines Gebäudes langfristige Strompreise abmachen kann. Strompreise, die auf der einen Seite tiefer sind als diejenigen der Stromversorger. Die auf der anderen Seite aber auch sicherstellen, dass sich die Anlage amortisieren lässt und die Genossenschaft kein Minusgeschäft macht.

Denn muss zu viel Strom ins Netz eingespeist werden, ist diese Sicherheit nicht gegeben. Jährlich, je nach Stromversorger sogar vierteljährlich, können sich diese Preise ändern, zudem unterscheiden sie sich von Gemeinde zu Gemeinde. 

 

Bei jeder Anlage wird zuerst gerechnet

 

Bevor Optima Solar eine Anlage baut, wird gerechnet. Um abzuschätzen, ob die Anlage langfristig rentabel betrieben werden kann oder nicht. Darum fokussiert sich die Genossenschaft insbesondere auf grosse Dachflächen. Denn: Je grösser das Dach, desto günstiger kann gebaut werden und desto günstiger kann jede produzierte Kilowattstunde verkauft werden. Nur so kann der Solarstrom zu einem tiefen Preis für den Eigenverbrauch angeboten werden.

Ein weiteres Kriterium, ob die Anlage rentabel betrieben werden kann oder nicht, ist der Standort respektive die Rückliefervergütung. Denn egal wie hoch der Eigenverbrauch ist, eine gewisse Strommenge wird fast immer ins Netz eingespeist. Darum ist es kein Zufall, dass jede dritte Anlage von Optima Solar in der Stadt Solothurn steht. Denn die Regio Energie bezahlt seit Jahren einen vergleichsweise hohen Rückliefertarif (und hat eine Partnerschaft mit Optima Solar). Derzeit sind es rund 20 Rappen pro Kilowattstunde, ein Vielfaches dessen, was etwa die BKW mit 7 Rappen pro Kilowattstunde momentan bezahlt.

So hat die Solar-Genossenschaft dieses Jahr etwa eine Anlage auf dem Solothurner Schulhaus Wildbach gebaut, eine auf dem Schulhaus Fegetz ist in Arbeit. Und letztes Jahr wurden die Dächer der Badi Solothurn mit einer Solaranlage gedeckt.

Die Solaranlage von Optima Solar auf dem Schulhaus Wildbach in Solothurn. 

 

 

Nicht immer wird die Anlage realisiert

 

Es gab aber auch schon Projekte, bei denen sich die Genossenschaft entschied, keine Anlage zu realisieren, weil das Risiko zu hoch war. «Das waren mehrheitlich kleinere Dächer oder speziell teure Anlagen mit gleichzeitig tiefem Eigenverbrauch», sagt Lucia Grüter, Geschäftsführerin und Co-Präsidentin der Genossenschaft.

Trotz dieser Hürden: Alles in allem läuft das Geschäft gut. 36 Anlagen hat die Genossenschaft seit 2011 für knapp 8 Millionen Franken realisiert. Damit wurden vergangenes Jahr 4 Millionen Kilowattstunden Strom produziert. Mit einem Genossenschaftskapital von 4,5 Millionen Franken und dem Umsatz aus dem Stromverkauf ist man zudem nicht mehr allzu abhängig davon, genügend Anteilscheine verkaufen zu können, sondern man kann eine Anlage auch mit eigenen Mitteln finanzieren.

Tatsächlich würde man gerne noch mehr machen, sagt Grüter, nutzt der Kanton doch bisher nur einen kleinen Teil seines Solarpotenzials, konkret knapp 5 Prozent des Potenzials aller geeigneten Dächer und Fassaden. Und trotzdem: «Es ist erstaunlich schwierig, an geeignete Dächer heranzukommen», sagt Grüter. Und dies, obwohl die Genossenschaft das finanzielle Risiko und sämtliche Arbeit übernimmt. Woran liegt es? Gerade Schulhäuser oder Turnhallen wären doch prädestiniert für dieses Angebot.

Ein Grund könnte sein, dass die Prozesse in den Gemeinden nur langsam vorangetrieben werden, vermutet Grüter. Und viele Gemeinden schlicht auch andere Prioritäten hätten. Und vielleicht liege es auch daran, dass das Angebot zu wenig bekannt sei. Darum habe man in diesem Sommer fünfzig Gemeinden angeschrieben und das Angebot vorgestellt. Bisher mit bescheidenem Rücklauf, so Grüter: «Wir sind konstant auf der Suche nach geeigneten Dächern für weitere Anlagen.»

 

Auch Firmen und Gemeinden springen auf

 

Nicht nur Genossenschaften wie die Optima Solar ermöglichen es Privaten, sich an Solaranlagen auf fremden Dächern zu beteiligen, sondern inzwischen auch Firmen. Beispielsweise die Solarify GmbH. Deren Geschäftsmodell: Private, Gemeinden oder auch Firmen stellen ihre Dächer zur Verfügung, Solarify verkauft die geplanten Solarpanels und startet mit dem Bau, sobald die Anlage finanziert ist. Wer ein Modul kauft, kann einen Beitrag an die Energiewende leisten, auch wenn er oder sie selber kein geeignetes Dach hat, und erhält zusätzlich eine regelmässige Rendite. Und die Hausbesitzer profitieren von vergünstigtem Strom.

So hat sich auch die Gemeinde Oensingen entschieden, mit Solarify auf zwei eigenen Gebäuden eine Solaranlage zu bauen: auf einem Schulhaus und einer Turnhalle. Sämtliche Module waren innert weniger Wochen verkauft, sagt Christoph Schär, Präsident der Energiestadtkommission. Man hätte wohl noch deutlich mehr Module verkaufen können. Nur: Das Potenzial der gemeindeeigenen Gebäude ist vorerst ausgeschöpft.

Denn die Hürden sind doch ziemlich hoch: Nicht nur muss das Dach eine bestimmte Grösse haben, es muss auch in einem Zustand sein, sodass in den nächsten Jahren keine Dachsanierung notwendig ist.

Trotzdem will Oensingen nun nicht einfach die Füsse stillhalten. «Das Potenzial ist nach wie vor gewaltig», sagt Schär. Auf Dächern von Firmengebäuden, Bauernhäusern oder auch grösseren Überbauungen zum Beispiel. Die Gemeinde geht inzwischen aktiv auf die Besitzer solcher Gebäude zu und bietet an, die Anlage zu realisieren. Ein Projekt, eine Anlage auf einem grossen Bauernhaus, kam so bereits zustande und befindet sich nun in der Planung. Und die Gemeinde sucht weiter nach geeigneten Dachflächen.

Zudem seien inzwischen schon andere Gemeinden auf ihn zugekommen, sagt Schär. Die Interesse daran hätten, das Vorgehen zu kopieren.

 

Sogar erste Stromversorger werden aktiv

 

Nicht nur Genossenschaften, Firmen und Gemeinden sehen im Modell der Bürgerbeteiligungen offenbar viel Potenzial. Sondern auch Energieversorger. So will die Primeo Energie, die Gemeinden im Schwarzbubenland und Grossraum Olten mit Strom versorgt, ein entsprechendes Angebot lancieren. Das Projekt «Primeo Solarsharing» befinde sich derzeit in Entwicklung, Anfang 2024 soll es erste Details dazu geben, schreibt die Primeo auf Anfrage.

Das Geschäft mit Solaranlagen auf fremden Dächern boomt in Solothurn – so sehr, dass sich kaum schnell genug geeignete Dächer finden lassen.